Mako

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H: Mit Zwiebel und Knoblauch in die Marktnische

 U: EU-Osterweiterung: Was sich das südungarische Städtchen Makó von der Europäischen Union erhofft.

 Von Dr. Rudolf Stumberger


Wenn György Szász inmitten des Weizenfeldes steht und über ihm spannt sich weit der blaue Himmel, dann hat er eine Vision: Hier, am Rande der Stadt soll auf 22 Hektar ein Industriepark entstehen. Mit Unternehmen aus dem Lebensmittelbereich, um die Rohstoffe der Region – Zwiebeln und Knoblauch – zu veredeln. Mit einem „Inkubatorhaus“, wie es auf ungarisch heißt, also einem Existenzgründerzentrum. Mit ausländischen Firmen, die sich hier nach dem EU-Beitritt Ungarns im Mai  niederlassen sollen, der günstigen Lohnkosten wegen. György Szász ist Optimist, schon von Berufs wegen. Als Entwicklungsmanager der Region glaubt er an eine prosperierende Zukunft, hofft auf den Aufschwung durch die Mitgliedschaft in der Europäischen Union, an das Interesse kapitalkräftiger Firmen. Einen Werbe-Prospekt über den künftigen Industriepark gibt es auch schon. Eigentlich schon seit drei Jahren. 2001, ist in dem Prospekt zu lesen, sollte das Gelände bereits verkehrsmäßig erschlossen sein und die ersten Hallen stehen. Noch aber fährt hier nur der Wind durch die Weizenähren. „Das hat sich verzögert“, sagt Entwicklungsmanager Szász achselzuckend und setzt fort: „Aber nächstes Jahr steht das Inkubatorhaus !“

Wer nach Makó  will, hat einen langen Weg vor sich. Transdanubien, den westlichen Teil Ungarns, muss er hinter sich lassen und im tiefen Süden die Donau überqueren. Dann beginnt die Tiefebene, die Puszta. Die Landschaft ist flach und weit. Nur manchmal ragen metallen schimmernd Wassertürme zwischen den endlosen Sonnenblumenfeldern in den Himmel, schlanken Raumschiffen gleich. Die Dörfer ziehen sich längs der Straßen hin, mit Störchennestern auf den Masten der Telefonleitungen. Es ist heiß und der Wind wirbelt den Staub auf. Ab und zu läuft ein Huhn über die Fahrbahn. Dann kommt man nach Szeged, der drittgrößten ungarischen Stadt mit breiten, schattigen Straßen und einer renommierten Universität. Danach wieder Landschaft. Und schließlich das Ortsschild von Makó : 26.000 Einwohner, ein bisschen Industrie, viel Landwirtschaft, ein paar Plattenbauten im Zentrum neben dem alten, historischen „Hotel Korona“. Bekanntester Sohn der Stadt ist József Pulitzer – der Stifter des gleichnamigen renommierten Journalistenpreises, der hier bis zu seinem achten Lebensjahr aufwuchs, bevor er in die USA emigrierte. Weniger bekannt ist Joseph Galamb, Konstrukteur des legendären Ford-T-Modells. Die Ungarn selbst kennen Makó  wegen der Zwiebeln, die hier wachsen. Von besonderem intensiven Geschmack sollen sie sein, wegen der Bodenbeschaffenheit und der vielen Sonnentage. Im September wird sogar ein Zwiebelfestival veranstaltet. Früher haben die Zwiebeln die Stadt reich gemacht. Heute hofft man auf wirtschaftlichen Aufschwung mit Hilfe der Europäischen Union. Um die acht Prozent beträgt die Arbeitslosenrate in der Stadt, aber bis zu 20 Prozent in den Dörfern der Umgebung. Etliche Betriebe haben nach der Wende dichtgemacht.

 „Unsere Erwartungen an die EU-Mitgliedschaft sind sehr groß, vor allem, was den Ausbau der Infrastruktur und den Umweltschutz anbelangt“, sagt Bürgermeister Peter Buzás. Seit neun Jahren ist der 52-Jährige im Amt, zuletzt haben ihn die Makóer Bürger mit 62 Prozent der Stimmen ins Rathaus gewählt. Er selbst ist Mitglied der Sozialistischen Partei und hinter seinem Schreibtisch hängt ein großes Ölgemälde: Männer und Frauen bei der mühseligen Zwiebelernte. Mit dem Ausbau der Infrastruktur meint der promovierte Bürgermeister vor allem den Anschluss an die Autobahn nach Budapest. Und beim Thema Umweltschutz denkt er an eine Enteisungsanlage für das Trinkwasser. Wirtschaftlich, so sagt er, setze man vor allem auf den Tourismus und die Landwirtschaft. Die Zwiebel als originäres Produkt der Region müsse besser vermarktet werden. Veredelungsbetriebe könnten Arbeitsplätze im Industriebereich bringen. Die Menschen in Makó seien beruflich qualifiziert und die Lohnkosten niedrig. György Szász , der Entwicklungsmanager nickt seinem Chef zustimmend zu.

 

Draußen nahe dem künftigen Industriepark, an der Rákosi-Str. Nr. 3, befindet sich der größte industrielle Arbeitgeber der Stadt – das „Gumimüvek Phoenix Hungaria Kft.“ Der Vorgängerbetrieb – das Gummiwerk Taurus – war 1993 Pleite gegangen.  Seit 1995, als die Hamburger Phoenix-Gruppe das Gummiwerk übernahm, arbeiten hier wieder 580 Mitarbeiter und sie produzieren pro Tag 110.000 Heizungsschläuche, Abnehmer sind Automobilbauer wie Audi, BMW, Ford oder Porsche. Die deutsche Phoenix-Gruppe (Umsatz 2002: 1,1 Mrd. Euro) produziert weltweit und in Ungarn insgesamt an fünf Standorten. Die Gründe, warum die deutsche Mutterfirma hier in Makó fertigt, liegen auf der Hand. Das Gummiwerk verfügte über qualifizierte Mitarbeiter, die Produktionskosten – darunter die Löhne – sind niedrig. Rund 500 Euro brutto verdienen die Arbeiter in der Fabrik, die Arbeit ist schwer und teilweise monoton, an den Maschinen arbeiten viele Frauen. Länger als fünf Jahre könne man diese Arbeit nicht machen, heißt es in der Stadt. Was ändert sich durch die EU-Mitgliedschaft ? Werksdirektor László Majoros winkt ab: „Der EU-Beitritt Ungarns wird für uns keine Änderung bringen.“ Man produziere jetzt schon ausschließlich für den deutschen Markt, jeden Tag werden die Schläuche per Lkw zollfrei nach Hamburg transportiert. „Ja gut, der Verwaltungsaufwand wird sicherlich weniger“, sagt der Direktor in Hinblick auf die EU.

 

Anders als die Industrie aber setzt die regionale Landwirtschaft Hoffnungen in den EU-Beitritt Ungarns. Das herausragende Agrar-Produkt rund um Makó ist die Zwiebel. Die Stadt hat ihr an zentraler Stelle ein Denkmal gesetzt und zudem das moderne Theater als Zwiebelform erbauen lassen. Der Siegeszug der Zwiebel begann im 19. Jahrhundert, als die Frucht 1882 in Brüssel mit einer Goldmedaille geehrt wurde. Viel Sonne, nährstoffreiche Böden und besondere Bearbeitungsverfahren (zweijährige Reifezeit) machten die Makóer Zwiebel zu einem begehrten Produkt. Heute kommen 45 Prozent der gesamten ungarischen Zwiebelproduktion aus der Region, das entspricht einen Ernte von ungefähr 35.000 Tonnen. Und man will mehr. „Grundsätzlich optimistisch“ schätzt etwa László Füleki die Zukunft des Zwiebelanbaus ein. Er ist Vorsitzender des regionalen „Zwiebelrates“, einer Vermarktungs- und Marketinggesellschaft. Die Makóer Zwiebel soll als Qualitätsprodukt eine Nische im Europäischen Markt besetzen, so das Ziel der Vermarktungsgemeinschaft. Erste Schritte sind getan, man hat sich ein neues Logo für das Agrarprodukt ausgedacht. Unter dem Qualitätszeichen „Makó“ werden Zwiebeln und Knoblauch in zwei großen ungarischen Supermarktketten angeboten. An die 10.000 Tonnen wurden im vergangenen Jahr auch exportiert, doch die Ungarn sind sich klar darüber, dass auf dem Europäischen Markt ein harter Wettbewerb herrscht. Schwierig werde es, so Füleki, gegen den Preis der holländischen Zwiebeln zu bestehen und mit Polen – wie Ungarn ein EU-Neuling - erwachse eine ernsthafte Konkurrenz. Dabei ist die Makóer Zwiebel bereits auf dem deutschen Markt vertreten: Als Trockenprodukt und als Würze für Suppen. 400 Tonnen verarbeitet die Trockenzwiebelfabrik in Makó pro Ernte und 99 Prozent der Produktion gehen nach Deutschland an die Firma Knorr.

Draußen, auf den Zwiebel- und Knoblauchfeldern, ist die Meinung der Bauern zur Europäischen Union gespalten. Die einen, wie János Szügyi aus dem Örtchen Maroslele, rechnen sich Chancen aus und hoffen auf neue Absatzmärkte. Er verkauft seine Knoblauchzehen an österreichische und Schweizer Firmen, die daraus Medikamente und (geruchsfreie) Knoblauchpillen herstellen. Andere, wie László Szeredi aus dem Örtchen Kiszombor, sind skeptisch. Sie fürchten den verstärkten Wettbewerb, der nur mit Rationalisierung und Mechanisierung zu bestehen sei. Szeredi baut vor allem Weizen und Gemüse an, Zwiebeln spielen bei ihm eine kleinere Rolle. Gefragt nach einem ökologischen Anbau winkt er ab  – den hält er für zu risikoreich und zu arbeitsintensiv.

Fährt man die schließlich Zwiebel- und Knoblauchfelder entlang Richtung Osten, stößt man nach gut 15 Kilometern hinter Makó auf die rumänische Grenze. Die Ungarn haben auf ihrer Seite ein neues, hochmodernes Abfertigungsgebäude errichtet und sich so auf die künftige Situation vorbereitet: Ab Mai wird hier die neue Grenze der Europäischen Union verlaufen, hier endet Schengen-Land. Makó, das Städtchen im tiefen Süden Ungarns, wird dann ein Wirtschaftsstandort an der südöstlichen Außengrenze der EU sein.